Der von Hector Mallot im Jahre 1878 geschriebene Roman Sans Famille (Heimatlos) war in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts sehr beliebt, dann geriet er etwas in Vergessenheit. Zu Unrecht, denn er behandelt das Schicksal von Verdingkindern, ein Thema, das gegenwärtig öffentlich diskutiert wird. Kinder als Ware, die man, soweit sie Waisen waren, verkauft, vermietet, ausgebeutet und beliebig misshandelt wurden. Die Zustände in Frankreich waren nicht etwa schlechter als in anderen europäischen Ländern, sonst wäre Charles Dickens in seinem Oliver Twist nicht auf genau das gleiche Thema eingegangen.
Die schwarzweissen Zeichnungen von Willy Planck geben die zum Teil düstere und verzweifelte Stimmung des Romans gekonnt wieder.
Ein Stock stiess auf die Schwelle; gleich darauf wurde die Türe heftig aufgerissen. "Wer ist da?", fragte Mutter Barberin, ohne sich umzudrehen. Ein Mann war hereingekommen, in einer weissen Bluse, wie ich beim Schein der hellodernen Flamme sah, und mit einem grossen Stock in der Hand.
"Nun, ich dächte, es läge auf der Hand, dass denen, die das Kind aufgezogen haben, alsdann eine reiche Belohnung zuteil wird. Darauf habe ich gerechnet, sonst hätte ich mir wahrhaftig keine solche Last aufgebürdet." Durch diese letzten Worte wurde mir Barberin noch verächtlicher.
"Auf keinen Fall bleibst du hier," sagte Barberin und zupfte mich derb am Ohr, "dieser Mann oder das Findelhaus! Wähle!"
Ich antwortete nicht, sondern schaute unverwandt hinunter; denn richtig, das war Mutter Barberin, ich erkannte sie an ihrer Haube.
Nun setzte ich mich an einen kleinen, schon gedeckten Tisch, eine Serviette lag auf meinem Teller - was sollte ich nur mit dieser Serviette tun?
Wir sassen auf einer Bank vor der Stalltüre, den Rücken an die von der Hitze des Tages noch warme Mauer gelehnt.
Joli-Coeur aber, der den Ernst der Lage nicht einsehen konnte, belustigte sich ungemein über das Gebaren des Polizisten, wanderte nun innerhalb der Einfriedigung ebenfalls auf und nieder, und sobald er vor mir vorbeikam, sah auch er mich so drollig über die Schulter an, dass die Zuschauer immer lauter lachten.
Wovon sollte ich mit den Tieren leben, wenn sich unser Geschick morgen und an den folgenden Tagen nicht günstiger gestaltete?
Ich nahm meine Harfe abermals zur Hand und begann einen Walzer zu spielen; alsdann umfasste Capi Dolce mit seinen Vorderpfoten, und das Paar drehte sich im Takte...
Vom Schnee geblendet, durchnässt, erstarrt, kamen wir nur langsam und mit grosser Anstrengung vorwärts...
Er hatte recht, der Schnee ging uns bis an die Knie, und unsere beiden Fackeln leuchteten nicht genug, das Dunkel zu erhellen."Dass sie nicht auf mein Rufen geantwortet haben, ist ein Zeichen, dass sie... weit weg sind, " fuhr Vitalis fort, "zudem dürfen wir uns der Gefahr nicht aussetzen, selbst von den Wölfen angefallen zu werden; wir haben nichts, womit wir uns verteidigen können."
"Wahrhaftig!" sagte der Doktor, am Ende ist es ein merkwürdiger Fall," und fühlte dem Tiere den Puls.
"Warum ist der Kessel mit einem Vorhängeschloss verschlossen?""Damit ich keine Suppe herausnehmen kann. Ich muss die Suppe kochen, aber der Herr traut mir nicht."
So erzählte mir dann der Vater ohne Umschweife, er habe, als er gegen zwei Uhr morgens die Gartenpforte geöffnet, um nach dem Markte zu gehen, uns auf dem Strohe liegen sehen und zunächst aufstehen heissen, um den Wagen vorbei zu lassen, uns aber dann, da sich keiner von uns rührte,... beim Arm genommen und geschüttelt.
Zuerst sah sie mich unverwandt an, ohne sich zu regen; dann begann sie mit den Füssen den Takt zu treten, und nicht lange, so drehte sie sich strahlenden Gesichts anmutig im Kreise herum, als sei sie von der Musik hingerissen...
Er nahm dann die kleine Lisa auf den Arm und fing bitterlich zu weinen an, ohne mehr ein Wort zu sprechen.
Ich ging auf ihn zu, um ihn genauer anzusehen; es konnte kein Zweifel obwalten, er war es, und auch er erkannte mich wieder, denn ein Lächeln flog über sein bleiches Gesicht, als er mich erblickte.
"Während ich meine Hosen ändere", sagte ich zu Mattia, "könntest du mich wohl hören lassen, wie du Geige spielst."
"Wissen Sie, wonach dieser kleine Musikant eben fragt?" schrie er dem Wirt entgegen: "Wie viel eine Kuh kostete, nicht zu gross, nicht zu fett, kurzum - eine gute Kuh! Muss sie auch abgerichtet sein wie euer Hund?" - Damit fing er von neuem zu lachen an.
Nachdem wir endlich an unserem Bestimmungsort angelangt waren, unterwies mich Onkel Gaspard, was ich zu tun habe, und schob unsren "Hund", sobald dieser mit Kohlen gefüllt war, mit mir zusammen weiter, um mir zu zeigen, wie ich ihn bis an den Förderschacht rollen, und wie ich auf das Nebengeleise ausweichen müsse, wenn ich andern Förderleute begegnete.
Das Wasser stieg immer höher, schon ging es uns bis an die Knie, und wir konnten nur schwer vorwärts kommen; dennoch versuchten wir zu laufen, der Magister mit uns.
Zwanzig Arme streckten sich nach mir aus, der Bergmeister aber wollte mich nicht abgeben, sondern trug mich, stolz auf seinen Sieg und stumm vor Freude und Glück, in das Bureau, wo Betten für alle bereitstanden.
"Herr Espinassous?" fragte Mattia.
Ein kleiner lebhafter Mann, der wie ein Vogel umherhüpfte und gerade damit beschäftigt war, einen im Lehnstuhl sitzenden Bauern zu rasieren, antwortete mit einer Bassstimme: "Das bin ich!"
Der Tierarzt hatte uns schon begreiflich gemacht, dass seine Aussetzungen nicht so schlimm gemeint gewesen seien, und dass die Kuh nicht nur nicht schlecht, sondern im Gegenteil ganz vortrefflich sei, aber zweihundertzehn Franken war gar viel für uns.
Unsere Kuh rannte auf ein etwa zwei Kilometer entferntes grosses Dorf zu...
"Man beschuldigt euch, eine Kuh gestohlen zu haben," fing der Friedensrichter an, indem er mir fest in die Augen sah.
"Nimm die Leine," rief ich Mattia zu, sprang mit einem Satze auf die Anhöhe und schaute hinunter; in unserem Tale war alles unverändert, und zwischen den beiden Baumgruppen gewahrte ich das Dach von Mutter Barberins Haus.
"Ach welch schönes Tier!" rief sie entzückt und stiess bei jeder Entdeckung, die sie an der Kuh machte, neue Ausrufe der Zufriedenheit und Bewunderung aus,...
"Ach, ach!", sagte die Alte dann, sah mich genauer an als vorher und fragte mich: "Sind Sie etwa der Knabe?"
"Was ist dir?" fragte ich ihn. "Das schaukelt so stark, mir wird schlecht.""Das ist die Seekrankheit."
Ein Greis mit einem weissen Barte, den Kopf mit einem schwarzen Käppchen bedeckt, sass unbeweglich, gleich einr Bildsäule, in einem Korblehnstuhl vor dem Feuer;...
Die Eltern waren allein; meine Mutter machte eilig zwei Päcke von den herbeigebrachten Waren, mein Vater kehrte unterdessen in einem Winkel des Schuppens den trockenen Sand mit krätigen Besenstrichen weg, bis sich eine Falltür zeigte. Diese hob er in die Höhe und stieg sodann mit den beiden sorgfältig verschnürten Ballen in einen Keller hinunter,....
"Wir wollen nach Hause gehen; halte du Capi an der Leine," sagte ich zu Mattia.
Eine fürchterliche Angst begann mich zu martern, Geschichten von Gefangenen fielen mir ein, die monatelang im Kerker geschmachtet, ehe sie verhört oder ihnen - was in meinen Augen gaz dasselbe war - das Urteil gesprochen hatte.
Nachdem du aus dem Zug gesprungen warst," nahm Mattia das Wort, "fielst du bewusstlos in den Graben,...
Ich wandte den Blick dem Festlande zu, schon schimmerten die Lichter der Küste nur noch wie helle Punkte durch die nebelhafte Dunkelheit,...
An der Schleuse gewahren wir einen Mann - das ist nicht Lisas Onkel.
Dann wandte er sich zur Tür, kehrte sich aber vor dem Hinausgehen noch einmal um und sagte: "Wir werden sehen, was die Gerichtshöfe von dieser Kindesunterschiebung halten."
Ich küsste ihn auf die Schnauze wie früher, wo er mich in meinem Elend tröstete.
Die schwarzweissen Zeichnungen von Willy Planck geben die zum Teil düstere und verzweifelte Stimmung des Romans gekonnt wieder.
Im Dorfe
Wurde ich von einem Gewitter überrascht, während ich unsere Kuh draussen an grasbewachsenen Wegen oder auf der Heide hütete, so lief mir sicher dieselbe Frau entgegen, damit ich unter ihrem hochgehobenen wollenen Rocke Schutz vor dem Regen finde;...
Ein Stock stiess auf die Schwelle; gleich darauf wurde die Türe heftig aufgerissen. "Wer ist da?", fragte Mutter Barberin, ohne sich umzudrehen. Ein Mann war hereingekommen, in einer weissen Bluse, wie ich beim Schein der hellodernen Flamme sah, und mit einem grossen Stock in der Hand.
"Nun, ich dächte, es läge auf der Hand, dass denen, die das Kind aufgezogen haben, alsdann eine reiche Belohnung zuteil wird. Darauf habe ich gerechnet, sonst hätte ich mir wahrhaftig keine solche Last aufgebürdet." Durch diese letzten Worte wurde mir Barberin noch verächtlicher.
"Auf keinen Fall bleibst du hier," sagte Barberin und zupfte mich derb am Ohr, "dieser Mann oder das Findelhaus! Wähle!"
Ich antwortete nicht, sondern schaute unverwandt hinunter; denn richtig, das war Mutter Barberin, ich erkannte sie an ihrer Haube.
Nun setzte ich mich an einen kleinen, schon gedeckten Tisch, eine Serviette lag auf meinem Teller - was sollte ich nur mit dieser Serviette tun?
Wir sassen auf einer Bank vor der Stalltüre, den Rücken an die von der Hitze des Tages noch warme Mauer gelehnt.
Joli-Coeur aber, der den Ernst der Lage nicht einsehen konnte, belustigte sich ungemein über das Gebaren des Polizisten, wanderte nun innerhalb der Einfriedigung ebenfalls auf und nieder, und sobald er vor mir vorbeikam, sah auch er mich so drollig über die Schulter an, dass die Zuschauer immer lauter lachten.
Wovon sollte ich mit den Tieren leben, wenn sich unser Geschick morgen und an den folgenden Tagen nicht günstiger gestaltete?
Ich nahm meine Harfe abermals zur Hand und begann einen Walzer zu spielen; alsdann umfasste Capi Dolce mit seinen Vorderpfoten, und das Paar drehte sich im Takte...
Vom Schnee geblendet, durchnässt, erstarrt, kamen wir nur langsam und mit grosser Anstrengung vorwärts...
Er hatte recht, der Schnee ging uns bis an die Knie, und unsere beiden Fackeln leuchteten nicht genug, das Dunkel zu erhellen."Dass sie nicht auf mein Rufen geantwortet haben, ist ein Zeichen, dass sie... weit weg sind, " fuhr Vitalis fort, "zudem dürfen wir uns der Gefahr nicht aussetzen, selbst von den Wölfen angefallen zu werden; wir haben nichts, womit wir uns verteidigen können."
"Wahrhaftig!" sagte der Doktor, am Ende ist es ein merkwürdiger Fall," und fühlte dem Tiere den Puls.
"Warum ist der Kessel mit einem Vorhängeschloss verschlossen?""Damit ich keine Suppe herausnehmen kann. Ich muss die Suppe kochen, aber der Herr traut mir nicht."
So erzählte mir dann der Vater ohne Umschweife, er habe, als er gegen zwei Uhr morgens die Gartenpforte geöffnet, um nach dem Markte zu gehen, uns auf dem Strohe liegen sehen und zunächst aufstehen heissen, um den Wagen vorbei zu lassen, uns aber dann, da sich keiner von uns rührte,... beim Arm genommen und geschüttelt.
Zuerst sah sie mich unverwandt an, ohne sich zu regen; dann begann sie mit den Füssen den Takt zu treten, und nicht lange, so drehte sie sich strahlenden Gesichts anmutig im Kreise herum, als sei sie von der Musik hingerissen...
Er nahm dann die kleine Lisa auf den Arm und fing bitterlich zu weinen an, ohne mehr ein Wort zu sprechen.
Ich ging auf ihn zu, um ihn genauer anzusehen; es konnte kein Zweifel obwalten, er war es, und auch er erkannte mich wieder, denn ein Lächeln flog über sein bleiches Gesicht, als er mich erblickte.
"Während ich meine Hosen ändere", sagte ich zu Mattia, "könntest du mich wohl hören lassen, wie du Geige spielst."
"Wissen Sie, wonach dieser kleine Musikant eben fragt?" schrie er dem Wirt entgegen: "Wie viel eine Kuh kostete, nicht zu gross, nicht zu fett, kurzum - eine gute Kuh! Muss sie auch abgerichtet sein wie euer Hund?" - Damit fing er von neuem zu lachen an.
Nachdem wir endlich an unserem Bestimmungsort angelangt waren, unterwies mich Onkel Gaspard, was ich zu tun habe, und schob unsren "Hund", sobald dieser mit Kohlen gefüllt war, mit mir zusammen weiter, um mir zu zeigen, wie ich ihn bis an den Förderschacht rollen, und wie ich auf das Nebengeleise ausweichen müsse, wenn ich andern Förderleute begegnete.
Das Wasser stieg immer höher, schon ging es uns bis an die Knie, und wir konnten nur schwer vorwärts kommen; dennoch versuchten wir zu laufen, der Magister mit uns.
Zwanzig Arme streckten sich nach mir aus, der Bergmeister aber wollte mich nicht abgeben, sondern trug mich, stolz auf seinen Sieg und stumm vor Freude und Glück, in das Bureau, wo Betten für alle bereitstanden.
"Herr Espinassous?" fragte Mattia.
Ein kleiner lebhafter Mann, der wie ein Vogel umherhüpfte und gerade damit beschäftigt war, einen im Lehnstuhl sitzenden Bauern zu rasieren, antwortete mit einer Bassstimme: "Das bin ich!"
Der Tierarzt hatte uns schon begreiflich gemacht, dass seine Aussetzungen nicht so schlimm gemeint gewesen seien, und dass die Kuh nicht nur nicht schlecht, sondern im Gegenteil ganz vortrefflich sei, aber zweihundertzehn Franken war gar viel für uns.
Unsere Kuh rannte auf ein etwa zwei Kilometer entferntes grosses Dorf zu...
"Man beschuldigt euch, eine Kuh gestohlen zu haben," fing der Friedensrichter an, indem er mir fest in die Augen sah.
"Nimm die Leine," rief ich Mattia zu, sprang mit einem Satze auf die Anhöhe und schaute hinunter; in unserem Tale war alles unverändert, und zwischen den beiden Baumgruppen gewahrte ich das Dach von Mutter Barberins Haus.
"Ach welch schönes Tier!" rief sie entzückt und stiess bei jeder Entdeckung, die sie an der Kuh machte, neue Ausrufe der Zufriedenheit und Bewunderung aus,...
"Ach, ach!", sagte die Alte dann, sah mich genauer an als vorher und fragte mich: "Sind Sie etwa der Knabe?"
"Was ist dir?" fragte ich ihn. "Das schaukelt so stark, mir wird schlecht.""Das ist die Seekrankheit."
Ein Greis mit einem weissen Barte, den Kopf mit einem schwarzen Käppchen bedeckt, sass unbeweglich, gleich einr Bildsäule, in einem Korblehnstuhl vor dem Feuer;...
Die Eltern waren allein; meine Mutter machte eilig zwei Päcke von den herbeigebrachten Waren, mein Vater kehrte unterdessen in einem Winkel des Schuppens den trockenen Sand mit krätigen Besenstrichen weg, bis sich eine Falltür zeigte. Diese hob er in die Höhe und stieg sodann mit den beiden sorgfältig verschnürten Ballen in einen Keller hinunter,....
"Wir wollen nach Hause gehen; halte du Capi an der Leine," sagte ich zu Mattia.
Eine fürchterliche Angst begann mich zu martern, Geschichten von Gefangenen fielen mir ein, die monatelang im Kerker geschmachtet, ehe sie verhört oder ihnen - was in meinen Augen gaz dasselbe war - das Urteil gesprochen hatte.
Nachdem du aus dem Zug gesprungen warst," nahm Mattia das Wort, "fielst du bewusstlos in den Graben,...
Ich wandte den Blick dem Festlande zu, schon schimmerten die Lichter der Küste nur noch wie helle Punkte durch die nebelhafte Dunkelheit,...
An der Schleuse gewahren wir einen Mann - das ist nicht Lisas Onkel.
Dann wandte er sich zur Tür, kehrte sich aber vor dem Hinausgehen noch einmal um und sagte: "Wir werden sehen, was die Gerichtshöfe von dieser Kindesunterschiebung halten."
Ich küsste ihn auf die Schnauze wie früher, wo er mich in meinem Elend tröstete.